Der innere Kritiker: Was er ist und wie du ihn besiegst

Der innere Kritiker beeinflusst unser Denken, Handeln und Selbstwertgefühl. Erfahre, wie du ihn erkennst, woher er kommt – und welche Strategien wirklich helfen, um ihn zu beruhigen oder sogar zum Verbündeten zu machen.

4/28/20255 min lesen

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Der innere Kritiker: Was er ist und wie du ihn besiegst

Kennst du diese kritische Stimme in deinem Kopf, die dir einredet, du seist nicht gut genug, nicht klug genug oder nicht stark genug?
Diese innere Stimme begleitet viele von uns durchs Leben – manchmal leise, manchmal ohrenbetäubend laut.

In der Psychologie nennt man sie den "inneren Kritiker". Der innere Kritiker ist ein psychologisches Konzept, das die Art und Weise beeinflusst, wie wir uns selbst wahrnehmen und bewerten. Es handelt sich dabei um eine innere Stimme, die uns ständig kritisiert und unsere Selbstzweifel nährt.

In diesem Artikel erfährst du, was der innere Kritiker ist, wie er entsteht und welche Strategien dir helfen, ihn zu überwinden.

Was ist der innere Kritiker?

Der innere Kritiker ist jene Stimme in unserem Kopf, die uns abwertet, kleinredet und an uns zweifelt.

Gemeint sind damit jene inneren Monologe, die uns immer wieder an unsere Schwächen, Fehler oder vermeintlichen Misserfolge erinnern.

Diese Stimme kann wie die eigene klingen – oder wie die von Eltern, Lehrern oder anderen prägenden Personen aus unserer Vergangenheit.

Sie äussert sich in kurzen Gedankenfetzen, bissigen Kommentaren oder regelrechten mentalen Vorträgen. Doch egal, wie sie auftritt – ihre Wirkung ist immer dieselbe: Unser Selbstwertgefühl wird untergraben, manchmal sogar regelrecht zerstört.

Häufig sind wir uns gar nicht bewusst, wie stark dieser innere Kritiker unser Denken, Fühlen und Handeln beeinflusst. Und doch prägt er Entscheidungen, hemmt Entwicklungen und hält uns davon ab, unser volles Potenzial zu entfalten.

Woher kommt der innere Kritiker?

Vielleicht hast du dich auch schon einmal gefragt, warum diese kritische Stimme manchmal so mächtig sein kann. Der innere Kritiker entsteht nicht einfach so – er wurzelt tief in unseren frühen Erfahrungen. Der Grund dafür liegt oft in unserer Vergangenheit.

Als Kinder lernen wir über uns selbst vor allem durch das, was andere uns spiegeln: Eltern, Lehrer, Bezugspersonen. Vielleicht gab es wenig Raum für Fehler, wenig Verständnis – dafür viele Erwartungen und genau das hat Spuren hinterlassen.

Doch nicht nur unsere Kindheit prägt diese Stimme, auch die Gesellschaft in der wir leben beeinflusst den inneren Kritiker.

In der westlichen Welt werden besonders Leistungen gefeiert und Perfektion glorifiziert. In sozialen Medien sehen wir nur die glänzenden Oberflächen – schöne Menschen, scheinbar mühelose Karrieren, perfekte Leben.

Ohne dass wir es merken, vergleichen wir uns mit diesen "perfekten" Leben.

Und genau dieses Vergleichen füttert den Kritiker in uns.

Aus solchen Erfahrungen entstehen innere Überzeugungen wie:

  • Ich muss perfekt sein, sonst bin ich nicht genug.

  • Ich darf keine Schwäche zeigen.

  • Ich muss disziplinierter sein.

  • Ich muss erfolgreich sein.


Diese Glaubenssätze sind nicht laut, aber sie wirken tief. Irgendwann übernehmen wir die kritischen Stimmen – und halten sie für unsere eigenen.

Wie erkennst du den inneren Kritiker?

Typische Anzeichen für den inneren Kritiker sind:

  • Ständiges Zweifeln an dir selbst

  • Perfektionismus

  • Angst, Fehler zu machen

  • Das Gefühl, nie gut genug zu sein

  • Strenge Selbstverurteilung

Wenn du dich oft selbst infrage stellst oder dich besonders hart bewertest, ist das ein klares Zeichen dafür, dass dein innerer Kritiker aktiv ist.

Was der innere Kritiker mit dir macht

Ein starker innerer Kritiker kann dein Leben erheblich beeinträchtigen. Zu den häufigsten Auswirkungen zählen:

  • Geringes Selbstwertgefühl

  • Vermeidung von Chancen

  • Selbstsabotage in Beziehungen oder im Beruf

  • Erschöpfung durch Daueranspannung

  • Angststörungen oder depressive Verstimmungen

Wenn du dich in wichtigen Momenten zurückziehst oder dich selbst sabotierst, steckt häufig der innere Kritiker dahinter.

Strategien, um mit dem inneren Kritiker umzugehen

Hier findest du nicht nur wirksame Methoden, sondern auch kleine praktische Tipps, wie du sie direkt im Alltag umsetzen kannst:

Es gibt viele Wege, mit dieser inneren Stimme besser umzugehen. Hier sind einige bewährte Methoden:

1. Den Kritiker erkennen – und benennen

Bevor du deinen inneren Kritiker beruhigen oder gar „loswerden“ kannst, musst du ihn überhaupt erst einmal bemerken.

Der erste Schritt ist: Ihn auf frischer Tat ertappen.

Achte bewusst auf deine innere Stimme. Sei dabei liebevoll mit dir selbst – es ist völlig normal, diese Stimme zu hören. Der wichtigste Schritt ist, sie überhaupt wahrzunehmen.

  • Wann wird sie hart oder abwertend?

  • Was sagt sie genau?

  • In welchen Situationen meldet sie sich besonders laut?

  • Und was steckt eigentlich hinter dem Angriff – Angst? Scham? Ein alter Glaubenssatz?

Diese Beobachtung ist entscheidend, denn solange du den Kritiker nicht erkennst, kann er ungestört wirken. Doch sobald du ihn bewusst wahrnimmst, verlierst du ein Stück weit deine Ohnmacht.

2. Kritische Gedanken überprüfen

Nur weil ein Gedanke in deinem Kopf auftaucht, heisst das noch lange nicht, dass er auch stimmt. Der innere Kritiker wirkt auf dich vielleicht überzeugend oder „vernünftig“ – aber was er sagt ist nicht automatisch wahr.

Viele seiner Aussagen sind geprägt von schlechten Erfahrungen, Ängsten und Glaubenssätzen. Leider glaubt man ihm viel zu oft – einfach, weil er so vertraut klingt. Seine Aussagen wirken als wären sie Fakten, doch in Wahrheit sind es Bewertungen, Übertreibungen oder pure Angst.

Übe, deine Gedanken zu hinterfragen.
Werde zur Beobachterin deines inneren Dialogs – nicht zur gläubigen Zuhörerin.

Stelle dir zum Beispiel diese Fragen:

  • Ist das wirklich wahr – oder fühlt es sich nur gerade so an?

  • Woher kenne ich diesen Gedanken?

  • Würde ich so mit einem Freund oder einer Freundin sprechen?

  • Gibt es auch eine andere Sichtweise auf die Situation?

  • Was würde ein wohlwollender Teil in mir sagen?

Manchmal reicht schon dieser kleine Moment der Reflexion, um einen inneren Schalter umzulegen. Du gewinnst Abstand – und damit Freiheit.

„Ich habe diesen Gedanken – aber ich bin nicht dieser Gedanke.

3. Selbstmitgefühl statt Selbstkritik

Wenn ein kritischer Gedanke aufkommt, frag dich: Würde ich so auch mit meinem besten Freund sprechen?

Übe, freundlich mit dir zu sprechen – besonders dann, wenn etwas schiefläuft. Formuliere den Gedanken um – liebevoll und realistisch.

Erlaube dir, nicht perfekt zu sein – sondern menschlich.
Arbeite bewusst an deiner Selbstliebe und Selbstachtung.

Denn je freundlicher du mit dir selbst umgehst, desto leiser wird der innere Kritiker – und desto stärker wird deine innere Stimme, die dich aufrichtet, statt dich zu verurteilen.

👉 Wie du deine Selbstliebe im Alltag stärkst, erfährst du hier: „8 Praktische Tipps zur Stärkung deiner Selbstliebe“

4. Achtsamkeit als Unterbrecher

Achtsamkeit hilft dir, deine Gedanken wahrzunehmen, ohne dich automatisch mit ihnen zu identifizieren. Sie schafft einen inneren Raum, in dem du entscheiden kannst, ob du dem Kritiker glaubst – oder ob du bewusst einen anderen Weg wählst.

Es geht nicht nur darum, einmal am Tag kurz innezuhalten. Achtsamkeit ist eine Haltung, die du üben kannst – immer wieder, mitten im Alltag. Beim Zähneputzen, beim Warten oder sogar im Gespräch mit anderen. Je öfter du innehältst und beobachtest, desto leichter erkennst du deine Muster.

Frage dich mehrmals am Tag:

  • Was denke ich gerade über mich selbst?

  • Ist das hilfreich – oder kritisierend?

  • Kommt dieser Gedanke aus Angst oder aus Vertrauen?

Schreib wiederkehrende Gedanken ruhig auf – nicht, um sie zu bewerten, sondern um sie sichtbar zu machen. Oft wirkt allein das wie ein Lichtstrahl in einen dunklen Raum.

So lernst du Schritt für Schritt:
Ich habe Gedanken – aber ich bin nicht meine Gedanken.
Ich darf wählen, welchen Stimmen ich wirklich zuhören will.

5. Positive Gegenstimmen aktivieren

Aus dem Konzept des „Inneren Teams“ (Friedemann Schulz von Thun):
Wir alle haben viele innere Stimmen – nicht nur den Kritiker.

Lass bewusst andere Stimmen zu Wort kommen: die Mutige, die Sanfte, die Neugierige.
Was würden sie sagen?

Eine weitere Methode ist die Verwendung von Affirmationen, die dich stärken. Klebe sie an den Badezimmerspiegel oder speichere sie als Handy-Hintergrund. Solche Affirmationen können dir helfen, neue, positive Glaubenssätze zu etablieren.

👉 Hier findest du eine Sammlung kraftvoller Affirmationen für dein Leben: „99 kraftvolle Affirmationen für dein Leben“

Der innere Kritiker als Chance

Manche Menschen lernen, den inneren Kritiker nicht nur als Gegner zu sehen, sondern als Hinweisgeber. Er zeigt, wo Unsicherheit oder Verletzlichkeit liegt – und damit auch, wo Entwicklung möglich ist. Wenn du lernst, ihn bewusst wahrzunehmen und ihn nicht dominieren lässt, kann er dich sogar stärken.

Der innere Kritiker ist laut – aber du musst nicht alles glauben, was er sagt. Mit Bewusstheit, Mitgefühl und gezielten Strategien kannst du lernen, dich von ihm zu distanzieren. Du bist mehr als deine Selbstzweifel. Und du darfst dich selbst liebevoll unterstützen.

Lerne, deiner eigenen Stimme wieder mehr zu vertrauen – und finde deinen Weg zu mehr Selbstakzeptanz.

Es ist ein Weg, der manchmal Zeit braucht – aber jeder Schritt zählt.
Du musst nicht perfekt sein. Es reicht, dass du den Mut hast, hinzuschauen und neu zu wählen.

Von Herzen
Liv